Klaus Rohrbach: Freigeld
Klaus Rohrbach: Freigeld
Michael Unterguggenberger und das “Währungswunder von Wörgl”
Weltwirtschaftskrise – der berüchtigte „Schwarze Freitag“ bringt 1929 tausenden Menschen Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Massenarmut. Auch in Wörgl, der kleinen Gemeinde in Tirol, zählt man mittlerweile über 400 Arbeitslose. Und täglich werden es mehr. Zahlreiche Betriebe müssen ihre Pforten schließen. Nachts tragen die Sozialdemokraten und die immer rabiater werdenden Hakenkreuzler ihre politischen Diskussionen schon mit den Fäusten aus. Die Wörgler werden unruhig. Besonders Michael Unterguggenberger, dem neuen Bürgermeister, raubt die Wirtschaftsnot den Schlaf. Arbeit muß beschafft werden; und das vorhandene Geld muß wieder in Umlauf gebracht werden, damit die Wirtschaft gesunden kann. Doch wer jetzt Geld hat, hält es natürlich in solchen Krisenzeiten zurück. Es behält ja seinen Wert. Auch Michael Unterguggenberger weiß das. Er kennt die Lehre der Sozialreformer, die das Geld als echtes Tauschmittel den Waren wirklich gleichgestellt sehen wollen. Dann nämlich muß auch das Geld – wie die Waren – mit der Zeit an Wert verlieren. Und erst dann wird es niemand mehr risikolos zurückhalten und horten wollen, sondern möglichst rasch in den Wirtschaftskreislauf zurückgeben und umlaufen lassen! So wie es der Volksmund sagt: „Taler, Taler, du mußt wandern ...“ Der Bürgermeister hat nichts mehr zu verlieren. 1932 ist es soweit. Der ganze Ort muß von der reichlich seltsam klingenden neuen Idee überzeugt werden. So beginnt das bedeutendste Freigeldexperiment der Geschichte und wird bald von der internationalen Presse begleitet. Bis man auch in Wien auf diese wahrhaft ungeheuerliche Entwicklung aufmerksam wird...